Im Zweifel für den Zweifel: Neu Beginnen mit Albert O. Hirschman
Veranstaltungsreihe über Leben, Wirken und Werk von Albert O. Hirschman im Rahmen der erstmaligen Verleihung von VOICE Albert O. Hirschman Preis für Einmischung, Widerspruch und Erneuerung demokratischer Kultur durch die Stiftung Kommunikationsaufbau
Kuratiert von Alexander Karschnia
Gäste: Prof. Jeremy Adelman (Cambridge), Patrick-Eiden-Offe (Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung)
Moderation: Ulrich Gutmair (taz)
Im Zweifel für den Zweifel: Neu Beginnen mit Albert O. Hirschman
Am 1. April 1933 verließ der noch nicht volljährige Student Albert O. Hirschman (1915-2012) seine Heimatstadt Berlin und ging ins Exil. Es vergingen mehr als fünf Jahrzehnte, bevor er Deutschland wiedersah. Bei einem Empfang in Berlin erzählte er eine Anekdote: „Wisst ihr was“, verkündete er nach einem Gespräch mit seinem Vater: „Vater hat keine Weltanschauung!“ - nur um den Rest seines Lebens damit zu verbringen zu verstehen, wie recht sein Vater hatte. Eine Person, die ihn in dieser Überzeugung bekräftigte, war Eugenio Colorni (1909-1944), Philosoph und Antifaschist aus Italien, in dessen Hotelzimmer er mit seiner Schwester Ursula heimlich Flugblätter hergestellt hatte. Im Exil wurde Colorni sein Schwager und sein Mentor. Hirschman und seine Schwester unterstützten Colornis antifaschistisches Engagement, zu dessen Vermächtnis das „Manifest von Ventotene“ gehört, die Vision eines in Frieden und Freiheit geeinten Europas. Hirschman war in Berlin Mitglied der Gruppe NEU BEGINNEN gewesen, er kämpfte in drei verschiedenen Armeen gegen NS-Deutschland, einer Miliz im spanischen Bürgerkrieg, der französischen Armee und der US-Army. Er war sowohl Flüchtling als auch Fluchthelfer, der zusammen mit Varian Fry prominente Verfolgte des Nazi-Regimes wie Hannah Arendt, Max Ernst u.a. bei der Flucht in die USA unterstützte. Wer war dieser Mann, der zu einem der berühmtesten Sozialwissenschaftler des zwanzigsten Jahrhunderts werden sollte? Mit Worldly Philosopher hat Jeremy Adelman eine monumentale Biografie über die Odyssee dieses einmaligen Intellektuellen verfasst. Patrick Eiden-Offe wird über Hirschmans Rückkehr nach Deutschland berichten, von Begegnungen mit deutschen Kolleg:innen und Freundschaften. Schwerlich wird man einen geeigneteren Namen finden, nach dem der Preis VOICE für Widerspruch, Einmischung und Erneuerung demokratischer Kultur benannt werden könnte, als den von Albert O. Hirschman. Trug doch schon sein Hauptwerk den Titel: EXIT, VOICE, and LOYALTY (übersetzt als Abwanderung und Widerspruch). VOICE, dem Erheben der Stimme, dem Einspruch und Engagement gilt der Preis, den die Stiftung Kommunikationsaufbau im Herbst dieses Jahres zum ersten Mal verleihen wird. Die Veranstaltung Im Zweifel für den Zweifel bildet den Auftakt zu einer Reihe über Leben, Werk und Wirken von Albert O. Hirschman, dessen Andenken dieser Preis gewidmet ist - einem Mann, der sich nicht immer in seinem Leben als Deutscher definiert hat, aber immer als Berliner, und dessen „bias for hope“, seine Neigung oder sogar Vorurteil zugunsten von Hoffnung, wie er es genannt hatte, uns inspiriert in einer Zeit, die in manchen Aspekten allzu sehr jener Zeit immer ähnlicher zu werden droht, die ihn einst zum EXIT, zur Flucht oder Emigration getrieben hat.
Foto: Hernán Díaz © Katia Salomon
Eintritt frei
Prinzenstraße 85 F UG
- 14.04.2024 17:00 Uhr